Slow Productivity
Warum du während deiner Arbeitszeit ins Kino gehen solltest
Wenn du mit dem Schreiben Geld verdienst, hast du vermutlich ein Problem: Du schaffst immer zu wenig.
Klar, so geht es den meisten Selbstständigen. Nicht umsonst wird so gern von „selbst und ständig” gesprochen.
Aber was, wenn ich dir sage, dass nicht das Problem ist, dass du zu wenig arbeitest, sondern, dass du zu viel arbeitest?
Genau das behauptet Cal Newport in seinem vor Kurzem veröffentlichten Ratgeber Slow Productivity*.
Cal Newport ist ein US-amerikanischer Informatiker und Autor. Er hat bereits mehrere Sachbücher geschrieben, die sich alle um das Thema Arbeit drehen. Zwei weitere bekannte Werke sind:
Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen* (2017)
Digitaler Minimalismus: Besser leben mit weniger Technologie* (2019)

Das Problem: Pseudoproduktivität
Anhand welcher Kriterien beurteilst du, ob du genug geschafft hast, ob du einen produktiven Tag hattest, oder nicht?
Wenn du alles von deiner To-do-Liste abgearbeitet hast?
Wenn du den ganzen Tag am Schreibtisch saßt?
Oder wenn du eine bestimmte Anzahl von Wörtern geschrieben hast?
Wir Schreibmenschen haben laut Cal Newport eine große Schwierigkeit: Wir wissen nicht, wie wir unsere Produktivität messen sollen.
Denn die Idee der Produktivität stammt eigentlich aus den Fabriken und entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Dort lässt sie sich auch ganz einfach messen.
Nehmen wir als Beispiel die Automobilindustrie. Wie viele Autos für eine gute Produktivität an einem Tag produziert werden müssen, lässt sich genau sagen. Und wenn die Produktivität erhöht werden soll, können dafür die Produktionsabläufe optimiert werden, ohne, dass es unbedingt zu Qualitätseinbußen kommen muss.
Effizienz steigern und die Ressourcen optimal nutzen, diese Leitlinie ergibt in einem Fabrik-Umfeld Sinn.
Bei uns Schreibmenschen ist das allerdings anders. Denn unsere Ressource ist unser Kopf, ein Großteil der Arbeit findet in unserem Kopf statt. Das bedeutet, dass ein erheblicher Teil unserer Arbeit nicht sichtbar ist.
In einer Leistungsgesellschaft ist das ein Problem, denn wir wollen natürlich die ganze Zeit zeigen, wie superproduktiv wir sind, wir wollen nicht als faul wahrgenommen werden, weder von uns selbst noch von anderen.
Aus diesem Grund hat sich laut Newport im 20. Jahrhundert die Pseudoproduktivität entwickelt, die bis heute im Wissenssektor unsere Arbeitswelt bestimmt.
Pseudoproduktivität definiert er als die sichtbare Aktivität als Ersatz für tatsächliche Produktivität.
Deshalb beurteilst du höchstwahrscheinlich anhand von geschriebenen Wörtern, anhand von gearbeiteten Stunden und/oder anhand von abgehakten Punkten auf deiner To-do-Liste, ob dein Tag produktiv war oder nicht.
Denn das sind Punkte, die du sehen kannst und die auch andere sehen können.
Aber was ist daran so schlimm, To-do-Listen abzuarbeiten oder eine bestimmte Wortanzahl am Tag zu schreiben?
Ein Problem ist, dass diese Dinge nichts über die Qualität deiner Arbeit aussagen, und noch schlimmer: Auf diese Weise bewegen wir uns weg von tiefergehenden Bemühungen, hin zu oberflächlichen, konkreten Aufgaben, die sich auf eine To-do-Liste schreiben lassen, wie etwa eine bestimmte Wortanzahl oder eine Stunde brainstormen.
Das zweite Problem ist, dass solch eine Arbeitsweise zu Stress führt und so abermals die Qualität der Arbeit beeinträchtigt. Insbesondere, seitdem das Internet die Arbeitswelt verändert hat und jegliche Kommunikation in Echtzeit stattfindet.
Denn wer immerzu erreichbar sein muss und alle fünf Minuten sein E-Mail-Postfach checkt, um zu zeigen, wie fleißig er/sie ist, hat kaum noch Zeit und Energie zum Denken und zum Kreativsein.
Die Lösung: Langsame Produktivität (Slow Productivity)
Aus diesen Gründen entwickelt Cal Newport in seinem gleichnamigen Buch das Konzept der Slow Productivity. Sie basiert auf diesen drei Prinzipien:
- Weniger tun
- Mit natürlicher Geschwindigkeit arbeiten
- Qualität an oberste Stelle setzen
Ich kann deine Einwände bis hierher hören: Weniger tun? Langsamer arbeiten? Das kann ich mir überhaupt nicht leisten!
Und genau das ist einer der Gründe, warum ich auf scribona dafür plädiere, sein Schreib-Business in die eigenen Hände zu nehmen, und sich weder von Freelancer-Plattformen wie Fiverr, Textbroker und Content.de noch von toxischen Auftraggeber:innen, die nichts zahlen wollen aber maximale Leistung von dir fordern, abhängig zu machen.
Denn das ist ja eigentlich der Vorteil an der Freiberuflichkeit bzw. Selbstständigkeit: Du kannst selbst die Bedingungen bestimmen, zu denen du arbeitest, also solltest du auch versuchen, das zu tun.
Schauen wir uns jetzt an, wie du die drei Prinzipien in deinem Alltag umsetzen kannst.
Prinzip 1: Weniger tun
Das erste Prinzip basiert auf der Annahme, dass wir einfach besser sind, wenn wir weniger tun. Weniger tun, heißt also nicht, weniger zu erreichen.
Aber wie kannst du weniger tun?
Hier nennt Newport mehrere Stellschrauben, aber die drei wichtigsten sind meiner Meinung nach diese:
- Projekte auf maximal drei begrenzen: Wir nehmen uns immer wahnsinnig viel vor, aber die bittere Wahrheit ist, wir werden niemals alles schaffen und je mehr wir uns vornehmen, desto weniger schaffen wir, weil wir nirgendwo richtig vorankommen. Deshalb ist es gewinnbringend, harte Entscheidungen zu treffen und sich in einem bestimmten Zeitraum voll und ganz auf wenige Projekte, maximal drei, zu fokussieren. Für scribona habe ich es zum Beispiel erst einmal aufgegeben, Finnisch zu lernen. Und wenn du den Über-mich-Text gelesen hast, weißt du, was mir das bedeutet hat 😅
- Tagesziele begrenzen: Um mehr Freiraum zu schaffen, setze dir nur ein oder maximal zwei Tagesziele. Konzentriere dich dafür auf Aufgaben, die dich deinem übergeordneten Ziel näherbringen. Plane nicht den ganzen Tag durch, sondern lasse Raum zum Denken, Reflektieren und Kreativsein.
- Kleinkram eindämmen: Hier mal kurz eine Mail schreiben, da noch kurz einen Beleg für die Buchhaltung scannen, und schon ist wieder viel Zeit vergangen. Um diesen Kleinkram einzudämmen, dafür gibt es verschiedene Strategien. Eine ist etwa, langsamer auf Mails zu antworten. Denn jedes Mal, wenn du antwortest, provozierst du eine erneute Mail, auf die du auch wieder reagieren musst. Hier solltest du natürlich abwägen, ob die Mail wirklich wichtig ist oder nicht. Aber wie viele Mails erledigen sich von selbst, ohne, dass du darauf geantwortet hast? Sehr viele. Andere Strategien sind, Kleinkram gesammelt in Blöcken abzuarbeiten, Geld für Software auszugeben, die dir hilft, Kleinkram einzudämmen, und so viel Kleinkram wie möglich an andere auszulagern (wenn du erst einmal genug Geld verdienst, natürlich).
Prinzip 2: Mit natürlicher Geschwindigkeit arbeiten
Der Mensch ist nicht dazu gemacht, das ganze Jahr über mit gleichbleibender Intensität zu arbeiten. Trotzdem ist genau das häufig unser Ziel und wir fühlen uns schlecht, wenn uns das nicht gelingt. Denn die Pseudoproduktivität sieht jede Zeit, an der wir nicht unmittelbar an unseren Aufgaben arbeiten, als vergeudete Zeit.
Dabei ist es ganz normal, Phasen zu haben, in denen man sehr viel schafft, und dann wieder Phasen, in denen alles so vor sich hin dümpelt, und manchmal geht auch einfach gar nichts.
Das ist ganz normal und dagegen anzukämpfen, ist nicht gesund und beeinträchtigt die Qualität unserer Arbeit.
Auf lange Sicht ist eine abwechselnde Arbeitsgeschwindigkeit deutlich produktiver und gesünder. Newport schlägt dazu unter anderem die zwei folgenden Strategien vor:
- Langfristig denken: Frag dich nicht, was du in ein paar Monaten erreicht haben willst, sondern denke über Jahre hinweg. Newport schlägt einen Zeitraum von fünf Jahren vor, aber das ist nur ein Vorschlag. Wichtig ist, dass du deine Ziele langfristig im Blick hast und so Druck abbaust und genug Freiraum schaffst, falls du mal nicht unmittelbar vorankommst.
- Sich selbst verzeihen: Manchmal kommen wir von unserem Weg ab, verlieren uns in Gebieten, die nichts direkt mit unserem eigentlichen Projekt zu tun haben. Auch das ist völlig normal und gehört dazu. Es kommt deshalb nicht darauf an, was du heute schaffst, sondern, was du langfristig hinbekommst. Das zu akzeptieren und sich deshalb nicht schlecht zu fühlen, ist ein wichtiger Teil der Slow Productivity.
Prinzip 3: Qualität an oberste Stelle setzen
Das dritte Prinzip ist der Antrieb für die zwei anderen Prinzipien, denn Qualität ist das, was uns erfüllt, uns zufrieden macht und unserer Arbeit Sinn verleiht.
Wenn du mit dem Schreiben online Geld verdienst, hattest du sicherlich auch schon so Jobs, bei denen es nur um die Klickzahlen ging.
Ich persönlich habe mal für ein großes News-Portal „geschrieben”. Erst habe ich mich total über den Job gefreut, ich meine, Nachrichten zu schreiben, das ist schon irgendwie cool und fühlt sich wichtig an, oder? Aber die Ernüchterung trat bald ein.
Von „schreiben” konnte gar nicht die Rede sein. Meine Aufgabe war es, aus den gut gerankten Artikeln der Konkurrenz einen neuen Artikel mit einer noch reißerischeren Überschrift zu erstellen. So funktionieren übrigens die meisten privaten News-Websites.
Fünf Artikel pro Tag musste ich erstellen und wenn es mal nicht genügend relevante Themen gab, musste ich mir eben etwas aus den Fingern saugen, denn es mussten immer fünf sein.
Bestimmt kennst du solche Artikel wie „Warum Messi nicht bei der EM dabei ist” (ja, wow, Messi ist Argentinier und Argentinien ist nicht in Europa). Diese Artikel haben keinen anderen Zweck, als Klicks zu generieren.
Es ging nicht darum, Menschen zu informieren. Es ging nur darum, möglichst viele Klicks zu bekommen.
Obwohl ich für die Artikel relativ gut bezahlt wurde, fühlte ich mich schlecht und gestresst. Denn die Arbeit hatte für mich gar keinen Sinn.
Es hätte mir hier nichts gebracht, weniger Artikel am Tag zu erstellen oder langsamer zu arbeiten. Ich hätte mich trotzdem schlecht gefühlt.
Deshalb ist es wichtig, die Qualität an erste Stelle zu setzen. Ansonsten bringt das Konzept der langsamen Produktivität nichts.
Aber wie setzt du Qualität an erste Stelle?
Indem du die Themen findest, über die du schreiben willst, und dann alle Anstrengungen darauf konzentrierst, sehr gut in deiner Nische zu werden.
Setze voll und ganz auf dich selbst, baue deine eigene Marke auf und arbeite zu deinen Bedingungen. So erhöhst du die Qualität deiner Arbeit, gibst deinem Tun einen Sinn und kannst die anderen zwei Prinzipien Weniger tun und Mit natürlicher Geschwindigkeit arbeiten umsetzen.
Und ja, dann kannst du nicht nur während deiner Arbeitszeit ins Kino gehen, du solltest es sogar, um neue Inspirationen zu finden und so noch besser in deinen Bereichen zu werden.
Und jetzt?
Wenn du tiefer in das Thema der langsamen Produktivität einsteigen und erfahren willst, warum die berühmte Erzählung über Jane Austens Produktivität falsch ist, kannst du hier* Slow Productivity von Cal Newport kaufen.
In der Praxis lässt sich eine langsamere Produktivität normalerweise nicht von heute auf morgen umsetzen. Wir haben Rechnungen zu zahlen, wir müssen von irgendwas leben, da können wir nicht Aufträge, die uns an einer langsameren Arbeitsweise hindern, von jetzt auf gleich aufgeben.
Aber genau hier geht es auch wieder um die Langfristigkeit. Du kannst nicht von heute auf morgen, einfach weniger und langsamer arbeiten. Aber du kannst heute damit anfangen, die Bedingungen zu schaffen, damit das irgendwann möglich ist und so nach und nach eine natürlichere Arbeitsweise in deinen Alltag integrieren.
Wie fängst du damit an?
Meiner Meinung nach ist es der vielversprechendste Weg, eine eigene Personal-Brand aufzubauen. So schaffst du die Grundlage dafür, nach deinen eigenen Bedingungen zu arbeiten. Heute kannst du damit beginnen, indem du dir eine Domain sicherst und so den ersten Schritt zu deinem eigenen Blog, deinem Portfolio und deiner Marke machst.
Mehr dazu hier: So wirst du Texter:in.
Was denkst du? Wie können wir ausreichend Geld verdienen und trotzdem eine langsamere Produktivität leben? Schreib deine Gedanken dazu in die Kommentare und abonniere unseren Newsletter, um keinen neuen Artikel zu verpassen.
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Julia hat ein Problem: Sie kauft weit mehr Bücher, als sie jemals lesen kann – ihr Wissensdurst ist einfach unstillbar. Damit wieder Geld reinkommt, schreibt sie freiberuflich Blogartikel und beschäftigt sich mit Marketing. Auf scribona schreibt sie über ihre Erfahrungen und ihre Erkenntnisse als freiberufliche Texterin.